Der Begriff und die Lehre von spezifischen Energien sind in der philosophischen und wissenschaftlichen Literatur zwischen 19. und 20. Jh. überraschend geläufig. Eine eindeutige Begriffsbestimmung oder eine einheitliche Theorie liegen jedoch nicht vor; vielmehr lassen sich unterschiedliche Fragestellungen und Auslegungen angeben, welche auf eine vieldeutige Begriffsverwendung sowie auf Diskussionen breiten Umfangs verweisen. Die klassische Darstellung der Lehre geht auf Johannes Müller zurück, der 1826 unter Bezugnahme auf philosophische Voraussetzungen „Energien der Sinnessubstanz“ oder „Sinnesenergien“ einführte und 1838 eine ausführlichere Darlegung in zehn „allgemeinen Grundsätzen“ vornahm. Helmholtz ist eine Erweiterung der Lehre Müllers zu verdanken, in der nicht nur Sinnesmodalitäten sondern auch Qualitäten unterschieden wurden. An der regen Debatte beteiligten sich zahlreiche Philosophen und Wissenschaftler (u.a. Dessoir, Hering, Lotze, Lipps, Waitz und Wundt), welche ihre Lehre von spezifischen Energien durch Tatsachen erhärtet sahen, zur Erklärung verschiedener Tatbestände heranführten oder schlicht widerlegten. An der geschichtlichen Rekonstruktion sollten Methodenunterschiede ermittelt und die verschiedenen, damit verbundenen Fragestellungen explizit gemacht werden: Gleichgültigkeit oder Adäquatheit der Reizung, Lokalisation und Entwicklung von organischen Funktionen, Einteilungskriterien für die Sinne. Alsdann wird zu thematisieren sein, welche methodischen, begrifflichen und weltanschaulichen Voraussetzungen dahinterstecken, und ob und inwiefern spezifische Energien zur Erklärung von Phänomenen überhaupt taugen können: Auf diese Diskussion werden die Thesen gestützt, dass die Einführung von spezifischen Energien als ein Ausdruck für Unwissenheit gilt und dass ihr somit einen negativen – obgleich keineswegs unfruchtbaren – Wert beizulegen ist.

Die Lehren von den spezifischen Energien. Ansätze und Streitfragen / N. Moro. ((Intervento presentato al convegno Forschungskolloquium zur Wissenschaftsgeschichte tenutosi a Berlin nel 2011.

Die Lehren von den spezifischen Energien. Ansätze und Streitfragen

N. Moro
Primo
2011

Abstract

Der Begriff und die Lehre von spezifischen Energien sind in der philosophischen und wissenschaftlichen Literatur zwischen 19. und 20. Jh. überraschend geläufig. Eine eindeutige Begriffsbestimmung oder eine einheitliche Theorie liegen jedoch nicht vor; vielmehr lassen sich unterschiedliche Fragestellungen und Auslegungen angeben, welche auf eine vieldeutige Begriffsverwendung sowie auf Diskussionen breiten Umfangs verweisen. Die klassische Darstellung der Lehre geht auf Johannes Müller zurück, der 1826 unter Bezugnahme auf philosophische Voraussetzungen „Energien der Sinnessubstanz“ oder „Sinnesenergien“ einführte und 1838 eine ausführlichere Darlegung in zehn „allgemeinen Grundsätzen“ vornahm. Helmholtz ist eine Erweiterung der Lehre Müllers zu verdanken, in der nicht nur Sinnesmodalitäten sondern auch Qualitäten unterschieden wurden. An der regen Debatte beteiligten sich zahlreiche Philosophen und Wissenschaftler (u.a. Dessoir, Hering, Lotze, Lipps, Waitz und Wundt), welche ihre Lehre von spezifischen Energien durch Tatsachen erhärtet sahen, zur Erklärung verschiedener Tatbestände heranführten oder schlicht widerlegten. An der geschichtlichen Rekonstruktion sollten Methodenunterschiede ermittelt und die verschiedenen, damit verbundenen Fragestellungen explizit gemacht werden: Gleichgültigkeit oder Adäquatheit der Reizung, Lokalisation und Entwicklung von organischen Funktionen, Einteilungskriterien für die Sinne. Alsdann wird zu thematisieren sein, welche methodischen, begrifflichen und weltanschaulichen Voraussetzungen dahinterstecken, und ob und inwiefern spezifische Energien zur Erklärung von Phänomenen überhaupt taugen können: Auf diese Diskussion werden die Thesen gestützt, dass die Einführung von spezifischen Energien als ein Ausdruck für Unwissenheit gilt und dass ihr somit einen negativen – obgleich keineswegs unfruchtbaren – Wert beizulegen ist.
30-nov-2011
Settore M-FIL/06 - Storia della Filosofia
Technische Universitaet Berlin
Die Lehren von den spezifischen Energien. Ansätze und Streitfragen / N. Moro. ((Intervento presentato al convegno Forschungskolloquium zur Wissenschaftsgeschichte tenutosi a Berlin nel 2011.
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